253 Kilometer auf den Spuren des Jakobswegs – Unterricht Schritt für Schritt
Die Klasse 9b der Kraichgau-Werkrealschule Mühlhausen entschloss sich für einen Schultag
nicht im gewohnten Klassenzimmer. Am letzten Wochenende im Oktober machten sich alle 26 Schüler
mit ihrem Klassenlehrer Manfred Kretz auf einen pädagogischen, kulturellen und fächerübergreifenden Weg.
Wie schon viele Prominente vorher auch, wurde ein Teilstück des kürzlich eingeweihten Pilgerwegs
von Rothenburg ob der Tauber nach Speyer in Angriff genommen.
Bei kühlen drei Grad Celsius und dicken, feuchten Nebelschwaden traf man sich früh morgens
an der Kirche in Mühlhausen. Schon jetzt war das erste Fach, nämlich Physik, dran, Thema: Nebel.
Das erste Informationsgespräch war dann natürlich über die Heiligen der katholischen Kirche,
z. B. Cäcilia, Josef, Bernhardus, Florian, Nepomuk, Antonius, usw.
Die religiösen Ausführungen befassten sich weiterhin mit dem Sinn von Wallfahrten
und was sich die Pilger davon versprachen.
Das Bauwerk betrachtend, Hauptmerkmal der spätgotische Glockenturm, wurden Gedanken an Baumaterialien,
Bautechnik, Altarausrichtung und Baustile beleuchtet. In weiteren Gesprächen wurden auch andere
Bauwerksstile verglichen, z. B. die alte Schule/Rathaus mit der aktuellen Schule.
So, jetzt endlich auf den Weg machen. Aber wie, wohin? Natürlich gab es immer wieder Hinweise
in Muschelform, davon insgesamt mehr als vermutet; fast dreißig Stück bis zur Letzenbergkapelle.
Gott sei Dank hatten einige Wanderkarten dabei und man legte eine Route fest.
Jetzt galt es die Karten geografisch zu interpretieren, d. h. Nordausrichtung, Maßstab umsetzen,
Längen und Abzweige einschätzen. Das erste Stück ging dann auch Richtung Westen bis zum Marien-Bildstöckchen
und der Waldkapelle. Leider war dann die Fußgängerbrücke über die neue Umgehungsstraße noch nicht fertig.
Das bedeutete, die lehmige Böschung hinunter und auf der anderen Seite wieder steil hinauf.
Nicht alle hatten die erwünschte Wanderausrüstung ernst genommen und machten körperlang Bekanntschaft
mit dem feuchten Erdreich. An der Rotschlaghütte vorbei ging es Richtung Östringen, um dann doch
an der Rettigheimer Kapelle zu landen, wo die erste Pause eingelegt wurde.
Mit Hilfe der mitgenommenen Ferngläser konnte so manches aus der Natur im Detail betrachtet werden.
Apropos Natur, also Biologie: immer wieder wurden heimische Bäume mit ihren Früchten bestimmt,
die Vegetation betrachtet, Vögel aufgespürt, Nisthöhlen und verlassene Vogelnester betrachtet,
Gezwitscher interpretiert. Die Mathematik durfte natürlich auch nicht fehlen. Baumhöhen wurden geschätzt,
Gewichte vermutet, Umfänge erfasst, Raummaße vertieft. Selbst der im Unterricht aktuelle Pythagoras
wurde angebracht. Die nächsten Stationen waren dann die Kirchen in Rettigheim und in Malsch.
Auf der anderen Seite von Malsch angekommen, den steilen Kreuzweg zum Letzenberg hinauf,
konnte man den zurückgelegten Weg von oben herab im Nebel nur vermuten.
Aber es war für uns alle ein interessanter und beeindruckender Anblick. Oben angekommen,
am Rande des Kraichgaus, konnte man weder die Kühltürme von Philippsburg, noch den Kaiserdom
von Speyer sehen. Schade! Dafür umso mehr die farbenfrohen, herbstlichen Nahbereiche.
Nach einer besinnlichen Verweilpause ging es dann über die Obstanlage nach Mühlhausen zurück.
Alles in Allem betrachtet war es ein harmonischer und erfolgreicher Tag.
Nicht zuletzt auch wegen des erlebten Sozialfaktors, und trotz des Vorurteils,
dass Schüler ja eigentlich nicht wandern wollen...
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